Eindrücke von der EfA-Tagung 2008

Am vergangenen Dienstag fand im Wissenschaftspark Gelsenkirchen die EfA-Tagung Konzepte und Zukunfts­bilder für ein Barriere­freies Internet statt. Ich wurde als Experte für die Barrierefreiheit kollaborativer Websites eingeladen. Ich denke, ich konnte in dieser Rolle an einem interessanten Workshop und insgesamt an einer sehr gelungenen Tagung teilnehmen.

Von Dortmund aus ist es nicht weit zum Wissenschaftspark Gelsenkirchen, in dessen reizvollen Räumlichkeiten die Tagung stattfand. Etwa gegen 9:00 Uhr stand ich an der Anmeldung, um 11:00 Uhr sollte mein Workshop stattfinden, und die Zeit dazwischen verging wie im Flug.

Dem lockeren und lustigen ersten Webkrauts-Klassentreffen des Tages (unter anderem mit Jens Grochtdreis, Nicolai Schwarz, Stefan Nitzsche, Maxx Hilberer, Tomas Caspers, Gerrit van Aaken, Stefan Walter … wer noch?) folgte die steife und trockene Präsentation der Ergebnisse der Studie »Barrierefreiheit im Web 2.0«. Diese gehört zu den schlechtesten Präsentationen, die ich jemals gesehen habe. Sie war

  • monoton und langweilig vorgelesen,
  • wurde illustriert durch zum Teil überladene Präsentationsfolien, auf denen der Platz für die Video-Einblendung der Simultanübersetzung in Gebärdensprache nicht freigehalten wurde, sodass diese Teile des Textes und der Diagramme verdeckten, und
  • präsentierte leider auch verhältnismäßig unspannende Ergebnisse. Eine der Kernaussagen: Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nutzen Menschen mit Behinderungen das Internet überdurchschnittlich häufig, was daran liegt, dass darüber Nachteile durch die Behinderung kompensiert werden können.

Dann ging es bereits in meinen Workshop: Der Beitrag der Nutzer zur Barrierefreiheit – Wer macht kollaborative Webseiten barrierefrei?.

Nicole, Maria und Elke
Abb. 1: Nicole Weißkopf, Maria Krüger und Elke Wetzig (Foto von Christian Schmitz)

Ich neige nicht zu Nervosität, aber etwas unruhig wurde ich schon bei dem Gedanken, jetzt in eine Diskussion zu gehen, deren Verlauf – anders als zum Beispiel bei einer Präsentation, nach der man sich einfach verziehen kann und die im Allgemeinen nicht live in alle Welt übertragen wird – interaktiv und nicht unbedingt vorhersehbar ist. Für die Moderatorin Elke Wetzig und die beiden anderen Experten, Nicole Weißkopf vom deafhood-Blog bei CHIP und Maria Krüger, Vertreterin des BIENE-Projekts in Wikipedia, sind derartige Veranstaltungen auch nicht unbedingt Routine. Dies war wahrscheinlich der Grund dafür, weshalb am Podium so viel Harmonie und Einigkeit herrschte. Oder vielleicht waren wir einfach inhaltlich zu sehr derselben Meinung. Im TV werden Diskussionsrunden häufig mit Absicht heterogen zusammengestellt, sodass die Teilnehmer nach einiger Zeit anfangen, sich zu zerfleischen. Ein wenig mehr Biss hätte dem Workshop sicher auch gut getan. Die Diskussion belebt haben die zahlreichen Wortmeldungen, vor allem von Ansgar Hein, einer Autorität in Sachen Barrierefreiheit, und Christian Heilmann, Best Practice Evangelist bei Yahoo, Universalgenie und Charismatiker.

Ich möchte folgende Ergebnisse des Workshops festhalten:

  • Barrierefreiheit muss als Qualitätsmerkmal gelten.
  • Barrierefreiheit muss Spaß machen, »sexy sein«, nur dann ist Barrierefreiheit auch attraktiv.
  • Barrierefreiheit ist zwar das Ziel, der Weg dort hin muss jedoch pragmatisch und in kleinen Schritten erfolgen. Beispiel: Leichte Sprache wird sich auf Websites wohl eher nicht durchsetzen, aber von vereinfachter Sprache (kürzere Sätze, weniger Fremd- und Fachwörter, aktive Formulierungen, …) profitieren alle Nutzer.
  • Barrierefreiheit kann es nur dann geben, wenn Webentwickler, Autoren und Redakteure mit Behinderten zusammenarbeiten und umgekehrt. Niemand schafft absichtlich Barrieren. Häufig ist es die Unwissenheit der beteiligten Personen, die zu Barrieren führt. Behinderte sollten es folglich melden (können), wenn sie auf Probleme stoßen.

Robert Lender hat den Workshop in einem Blog-Eintrag inhaltlich zusammengefasst. Auch Elke hat den Workshop aus ihrer Sicht beschrieben: Wer macht kollaborative Mitmach-Websites barrierefrei?

Präsentation des Biene-Kriterienkatalogs
Abb. 2: Kamerateams, Simultanübersetzer und zahlreiche Assistenten prägten das Bild der Tagung. (Foto von Tomas Caspers)

Nach dem köstlichen Mittagessen (überhaupt war die Verpflegung an diesem Tag exzellent) ging es in den zweiten Workshop: Zukunft des Barrierefreien Internets – Was erwarten und erwartet Nutzer mit Behinderung im Web?. Ich persönlich fand die Diskussionen uninteressant und den Moderator erstaunlich inkompetent, vor allem fachlich, aber er hat die Diskussion auch nicht gut geleitet. Dennoch hat sich der Besuch des Workshops gelohnt: Christian Heilmann war einer der Experten und hat die Diskussion fachlich bereichert und sorgte auch mit der einen oder anderen lockeren Bemerkung für Heiterkeit im Saal. Ich saß mit Jens Grochtdreis und Eric Eggert im Publikum und habe mich gut unterhalten und ausnahmsweise mal schlank gefühlt. 😉

Anschließend folgte der Startschuss zum Biene-Wettbewerb 2008. Im letzten Jahr wurde die Vergabe der Biene ausgesetzt, um Studie durchzuführen, deren bereits erwähnte Ergebnisse in den Anforderungskatalog der aktuellen Wettbewerbs eingeflossen sind. Die Präsentation war ebenfalls schlecht und zog sich angesichts der zurückliegenden Workshops und der Aussicht auf das abschließende Pils sehr zäh dahin, allerdings hat er mich sehr motiviert, an dem Wettbewerb teilzunehmen. Teilnahmeschluss ist der 15. Juli 2008, und vielleicht schaffe ich es ja, den Relaunch der itemis AG bis dahin fertigzustellen.

Den Abschluss des Tages bildeten sehr nette Gesprächsrunden, dann ging es nach Hause. Den Rest können Sie bei Twitter nachlesen.

Hier finden Sie weitere Berichte verlinkt. Darüber hinaus gibt es bei Flickr zahlreiche Fotos unter dem Stichwort efatagung.

Michael Jendryschik
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