Mit Personas Projekte menschlich und motivierend gestalten

Eine Persona ist ein hypothetischer Nutzer mit konkret ausgeprägten Eigenschaften und Vorlieben sowie einem konkreten Nutzungsverhalten. Dabei steht eine Persona repräsentativ für eine reale Benutzergruppe, die ein System nutzt, beispielsweise eine Software, App oder Website. Persona sind ein Konzept aus der Informatik, genauer gesagt aus dem Teilgebiet Mensch-Computer-Interaktion, und kommen daher vor allem in der Softwareentwicklung zum Einsatz. 

Die Grundlage für die Definition von Personas bilden alle Informationen über die zukünftigen Benutzer des Systems, die die Projektbeteiligten auf verschiedenen Wegen sammeln, beispielsweise

  • über Workshops mit Benutzern,
  • mit Hilfe von Fragebögen oder
  • durch Beobachtungen, welche Nutzer wie mit ihrem aktuellen oder einem vergleichbaren System arbeiten.

Die ermittelten Personas begleiten das gesamte Projekt von der Anforderungsermittlung bis hin zur Implementierung und Wartung. Designer, Architekten und Entwickler sehen sich dadurch nicht mehr mit einer abstrakten Masse von anonymen Nutzern konfrontiert, sondern können auf die einzelnen Bedürfnisse konkreter Nutzer eingehen und dementsprechend unterschiedliche Bedienungsszenarien durchspielen.

Vorteile der Arbeit mit Personas

Personas bringen Leben in jedes Projekt, allein das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Einige weitere nennt Martin Seibert im Artikel Personas geben Zielgruppen Gesichter:

  • Personas helfen allen Projektbeteiligten dabei, den gesamten Entwicklungsprozess auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer und Zielgruppen auszurichten anstatt sich zur sehr auf die Ziele und (unrealistische) Vorgaben der Projektentscheider oder auf technische Restriktionen zu konzentrieren.
  • Entwickler spielen Bedienungsszenarien nicht aus ihrer Sicht durch: »Wie würde ich vorgehen, um den Bericht auszudrucken?«. Stattdessen betrachten sie sie aus verschiedenen Blickwinkeln: »Wie würde Walter vorgehen, um den Bericht auszudrucken? Würde Nicolai das genauso machen? Was würde Matthias erwarten?«
  • Persona helfen dabei, Wünsche von tatsächlichen Anforderungen zu unterscheiden. Als Wünsche bezeichne ich Anforderungen an das Produkt, die Stakeholder in das Projekt einbringen, dabei aber keinen Mehrwert bringen. Dazu gehören beispielsweise bestimmte Funktionen, die später überhaupt nicht genutzt werden, oder Designentscheidungen, die die Usability des Produkts verschlechtern anstatt sie zu verbessern. Die konsequente Anwendung von Persona in jeder Phase der Entwicklung kann nutzlose Wünsche aufdecken.
  • Entwickler haben konkrete Bezugspersonen, die ihrer Arbeit einen Sinn geben und mit denen sie sich identifizieren können. Dadurch steigt die Identifikation mit dem Projekt insgesamt, was wiederum die Motivation erhöht. Dabei sollten alle Personas, mit denen die Projektbeteiligte sich identifizieren sollen, sympathisch beschrieben sein. Sonst entwickeln sich kontraproduktive Dialoge: »Wie würde Matthias vorgehen, um den Bericht auszudrucken?« – »Keine Ahnung, ist mir doch egal, was Matthias macht.«
  • Persona verstehen alle Beteiligte: Projektmanager, Designer, Entwickler und sogar das Top-Management können sich in Persona hineinversetzen und deren Bedürfnisse verstehen.
  • Persona können dabei helfen, Anforderungen zu priorisieren, indem zunächst die Anforderungen berücksichtigt werden, die sich auf Personas beziehen, die wichtiger sind als andere.

Personas ausführlich definieren

Natürlich kann nur dann ein gebrauchstaugliches Produkt entstehen, das alle Anforderungen erfüllt, wenn die Persona gut ausgewählt und beschrieben wurden und die Nutzergruppe, die sie repräsentieren, möglichst realistisch und präzise abbilden. Nur dann sind alle Beteiligten in der Lage, die Anforderungen an das System vollständig zu erfassen und bei der Entwicklung zu berücksichtigen.

Eine vollständige Personabeschreibung sollte mindestens folgende Angaben und Informationen umfassen:

  • Persönliche Angaben, darunter der vollständige Name, das Geschlecht und Alter.
  • Ein Foto der Persona. Das ist besonders wichtig, um sich – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Bild der Persona machen zu können.
  • Angaben zu Beruf, Funktion, Verantwortlichkeiten und Aufgaben. Um zu erfahren, was diese Persona mit Ihrem System tut, müssen Sie wissen, was sie eigentlich tut.
  • Fachliche Ausbildung, Wissen und Fähigkeiten, sofern sie für das Produkt von Interesse sind. Dazu gehören allgemeine Computerkenntnisse und IT-Know-how (Internet, Textverarbeitung etc.) sowie Kenntnisse über verwandte Produkte, Vorgängersysteme, Konkurrenzprodukte. Hier entscheidet sich, ob Ihre Nutzer IT-Experten sind, die sich darüber hinaus in der Produktdomäne hervorragend auskennen, oder Anfänger, die Sie behutsam an Ihr System heranführen müssen.
  • Das führt uns direkt zu den Erwartungen, die die Persona an das System stellt und die sich direkt in Anforderungen übersetzen lassen.
  • Typische Verhaltensmuster und Vorgehensweisen lassen Rückschlüsse zu, wie die Persona in bestimmten Situationen reagiert. Das macht es leichter, die richtige Nutzeransprache zu finden, um die Arbeit mit dem System effizienter zu machen.

Gute Personas entwickeln sich ständig weiter

Der Usability-Experte Jared M. Spool schildert in seinem Artikel Das Wesentliche an einem erfolgreichen Persona-Projekt seine Beobachtung, dass die meisten Projekte sehr einfach anfangen: Projektteams tragen einfach das Wissen zusammen, das ihnen vorliegt, und entwickeln die Personas aus eigenen Erfahrungen heraus. Erst in einem zweiten Schritt untermauern die Teams ihre Annahmen durch Fakten, indem sie sich mit realen Nutzern und deren Aufgaben beschäftigen, Nutzertests und Feldstudien durchführen. Die Persona werden entsprechend angepasst und verfeinert. Das geschieht regelmäßig immer dann, wenn neue Kenntnisse hinzugekommen sind. So bleiben die Persona lebendig und entwickeln sich ständig weiter so wie echte Menschen es auch tun.

Es ist wichtig, dass alle Projektbeteiligte die Personas voll verinnerlicht haben, ganz gleich, ob die Personas durch die Kreativität und Erfahrungen des gesamten Projektteam entstehen oder nur durch die Arbeit einer kleineren Gruppe, beispielsweise der Interaktionsdesigner. Jeder muss alle Persona so beschreiben können, als seien es echte Menschen, so gut bekannt wie Familienmitglieder oder enge Freunde. Dazu Spool:

»Es gibt einen einfachen Test, um Erfolg oder Misserfolg eines Persona-Projekts vorherzusagen: Sprechen Sie mit allen Team-Mitgliedern, den Geschäftsführern und allen Entscheidern und fragen Sie nach den wichtigsten Personas. Wenn Ihnen alle das Gleiche erzählen, haben Sie es mit einem Siegerprojekt zu tun.«

Michael Jendryschik
5 Kommentare
  1. Sascha Lack
    Sascha Lack sagte:

    Ein hochinteressanter Artikel und dazu noch schön erläutert. Ein solcher Ansatz ist nicht nur rein didaktisch erstrebenswert, sondern zeigt auch auf, dass die Möglichkeiten innovativer Nutzerschulung noch lange nicht ausgeschöpft sind. Denn im Grunde geht es stets um nötige Lernprozesse, die trotz unterschiedlicher Medienkompetenz der einzelnen User für ein erfolgreiches Projekt vollzogen werden müssen.

    Auch der Folge-Beitrag zum Thema „WordPress-Redaktionshandbuch“ macht Appetit auf mehr… vielen Dank dafür!

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  2. Domingos
    Domingos sagte:

    Danke für den Beitrag, ich lese gerade Dan Browns Konzeption und Dokumentation erfolgreicher Web-Projekte, er geht da ausführlich auf Personas ein. Ist ein spannendes Thema, weil man lernt, die eigene Perspektive ein wenig zu verlassen und sich in eine andere Person und ein anderes Surfverhalten zu versetzen.

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  3. Christian Zumbrunnen
    Christian Zumbrunnen sagte:

    Danke für diesen sehr gut geschriebenen Artikel. Personas scheinen mir ein bedeutender Schritt zu gelingenden Projekten zu sein, obwohl es als zusätzliche und unnötige Spielerei abgetan werden kann und auch nicht immer einfach ist die Personas im richtigen Moment (bei Erweiterungen etc.) wieder ins Spiel zu bringen.

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